Ungeachtet der Bestrebungen postmoderner Ansätze, die Frage nach den Konstitutionsbedingungen von Subjektivität aus dem Kreis relevanter philosophischer Probleme
zu verabschieden, werden substantielle Diskurse nur schwer ohne
Konzepte des Selbst zu führen sein. Um Orientierungspunkte für dessen
Zugänglichkeit zu finden, werden die Thesen und Argumente, die
Kant und Fichte zum Problem des Selbstbewußtseins entwickeln, den
Überlegungen von Novalis und Wilhelm von Humboldt gegenübergestellt.
Beide gelangen in ihrer Auseinandersetzung mit den sinnerzeugenden,
produktiven Verfahren von Kunst und Sprache zu der Überzeugung, daß das
Ich seinen weltkonstitutiven Akten nicht als unveränderliches formales
Prinzip zugrunde liegt, sondern als transitorische Größe zu denken ist.
Sie entwerfen die Theorie, daß dem nach sich selbst suchenden Ich in
Kunst und Poesie die Möglichkeit gegeben ist, mittels der
unausdeutbaren Fülle symbolisierender Verfahren aus sich herauszutreten
und ein (sich stetig wandelndes) Bild seiner selbst konstruieren zu
können.
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